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UPDATE: Corona-Lockdown als Störung der Geschäftsgrundlage

Seit dem Beginn der Corona-Pandemie wird erbittert darum gestritten, ob behördlich angeordnete Geschäftsschließungen als Störung der Geschäftsgrundlage eines gewerblichen Miet- oder Pachtvertrages einzustufen sind. Aufgrund der zum Teil völlig gegensätzlichen Gerichtsentscheidungen haben Bund und Länder am 13.12.2020 beschlossen, hierzu eine gesetzliche Klarstellung zu schaffen (wir berichteten). Dies ist nunmehr durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrechts sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020, in Kraft getreten am 31.12.2020 (BGBl. I S. 3328), erfolgt.

Was neu ist:

Nach der Neuregelung wird zugunsten des gewerblichen Mieters vermutet, dass in Bezug auf dessen Mietvertrag eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, wenn die angemieteten Räume infolge staatlicher Corona-Maßnahmen nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind; entsprechendes gilt für Pachtverhältnisse (Art. 240 § 7 EGBGB). Dies hat wiederum nach § 313 BGB zur Folge, dass der Mieter eine Anpassung des Vertrages, d.h. eine angemessene Reduktion der Miete, verlangen kann.

Was zu beachten ist:

Voraussetzung ist allerdings auch, dass dem Mieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Damit sind Verhandlungen zwischen den Parteien des Mietvertrages über das „Ob“ und das „Wie“ einer eventuellen Reduktion der Miete vorprogrammiert. Denn die Frage der Zumutbarkeit ist eine Einzelfallentscheidung, die unter anderem folgende Aspekte zu berücksichtigen hat:

  • Sind Restnutzungsmöglichkeiten vorhanden, z.B. als Lagerfläche oder für Click & Collect?
  • Können staatliche Hilfsprogramme wahrgenommen werden, etwa Überbrückungshilfen?
  • Werden Aufwendungen, Betriebs- oder Werbungskosten erspart?

Zu beachten ist auch, dass die gesetzliche Vermutung nur dann greift, wenn die mangelnde Verwendbarkeit der angemieteten Räume eben gerade auf staatlichen Corona-Bekämpfungsmaßnahmen beruht und nicht etwa auf persönlichen Umständen des Mieters wie z.B. Krankheit oder Entzug der Betriebserlaubnis.

So ist die Neuregelung zu bewerten:

Ob die gesetzliche Neuregelung am Ende des Tages einer verfassungsrechtlichen Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) standhalten wird, bleibt abzuwarten; der Eingriff in das Grundrecht des Vermieters auf Schutz seines Eigentums (Art. 14 GG) ist nämlich nicht ganz unerheblich. Vorübergehend dürfte das Gesetz den Parteien im Zuge ihrer Verhandlungen über eine Vertragsanpassung etwas mehr an Klarheit verholfen haben, was grundsätzlich zu begrüßen ist.

Offene Fragen:

Völlig zweifelsfrei ist die Regelung allerdings nicht. So bleibt etwa die – nach wie vor unbeantwortete – Frage, ob ein Mieter oder Pächter auch dann im Sinne der Neuregelung eine Störung der Geschäftsgrundlage erfolgreich geltend machen kann, wenn er – beispielsweise als Arzt oder Lebensmittelhändler – lediglich mittelbar vom Lockdown betroffen ist, etwa durch einen erheblichen Rückgang an Kunden oder Patienten. Die Gesetzesbegründung lässt zwar vermuten, dass solche Konstellationen nicht erfasst sein sollen (s. Deutscher Bundestag, Drucksache 19/25322, S. 20).

Auf der anderen Seite kann es bei realistischer Betrachtung letztlich keinen Unterschied machen, ob die Umsatzeinbußen des Mieters auf einer behördlichen Schließung seines Betriebs oder einem erheblichen Kundenrückgang infolge von benachbarten Betriebsschließungen beruhen.

Fraglich ist auch, ob die Regelung auch für künftig abzuschließende Miet- und Pachtverträge gilt. Dies dürfte fraglich sein, da solche Verträge in Kenntnis der bestehenden Pandemie und der mittlerweile allseits bekannten staatlichen Bekämpfungsmaßnahmen geschlossen werden. Hier empfiehlt sich für beide Vertragsparteien, eine klarstellende Regelung in den Vertrag aufzunehmen.

Noch Fragen?

Sofern auch Sie im Rahmen eines gewerblichen Miet- oder Pachtverhältnisses von Corona-bedingten Veränderungen betroffen sind, stehen wir Ihnen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite!

 

von Rechtsanwalt Dr. Jan Schuld, LL.M.