Spahn ändert Corona-Impfverordnung

Ab sofort gelten bei der Corona-Impfung veränderte Priorisierungsregeln. Offizielle Begründung hierfür ist die Altersbegrenzung des AstraZeneca-Impfstoffes auf Menschen zwischen 18-65 Jahren. Nach der heftigen Debatte um „vergessene Risikogruppen“ und fehlende Härtefallklauseln hat das Bundesgesundheitsministerium aber auch noch weitere Punkte der Impfverordnung überarbeitet:

 

  • Aufrücken in höhere Priorisierungsstufe: Bestimmte Patienten, die ein hohes Risiko für einen schweren Corona-Krankheitsverlauf haben, rücken automatisch in die Risikogruppe 2 vor. Bsp.: bestimmte Krebspatienten/Diabetiker, bestimmte Lungen-/Leber- oder Nierenkranke, Menschen mit einem BMI über 40 (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c-i Corona-Impfverordnung).

 

  • Eingeschränkte Härtefallklausel: Auch andere Personen, die ein hohes Risiko für einen schweren Corona-Krankheitsverlauf haben, können unter Umständen bis in die Risikogruppe 2 vorrücken (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. j Corona-Impfverordnung). Bsp.: Personen mit schweren, seltenen Krankheiten.

 

  • Besondere Kontaktpersonen: Pflegebedürftige Menschen ab 80 Jahren und Schwangere können nunmehr zwei (statt vorher: eine) enge Kontaktpersonen benennen, die in der Risikogruppe 2 geimpft werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Corona-Impfverordnung) .

 

  • Vermeidung von „Verwurf“: Um den Verwurf von Impfstoffen zu verhindern, sind in Ausnahmefällen Abweichungen von der eigentlich vorgegebenen Impfreihenfolge erlaubt (§ 1 Abs. 2 S. 3 Corona-Impfverordnung).

 

Ob die neuen Priorisierungsregeln allerdings den Praxistest bestehen, ist mehr als fraglich. Schon im Vorfeld hatten Kritiker davor gewarnt, dass die neuen Vorgaben nicht praktikabel seien. Durch die immer stärkere Differenzierung, wer wann mit welchem Impfstoff geimpft werden könne, und die Unsicherheit bei den Impfstofflieferungen sei eine vernünftige Organisation kaum noch möglich.

Außerdem sind weitere Rechtsstreitigkeiten um vorgezogene Impftermine bereits vorprogrammiert. Denn selbst mit den neuen Härtefallregeln können beispielsweise schwerkranke Krebspatienten höchstens bis zur Risikogruppe 2 aufrücken. De facto bedeutet dies aber immer noch: eine lange, mehrwöchige Wartezeit. Patienten, die kurz vor einer Chemotherapie stehen, ist mit einer solchen Regelung ganz sicher nicht geholfen. Gerade bei derartigen Fällen sollte daher immer  geprüft werden, ob nicht möglicherweise doch eine Höhergruppierung in die Risikogruppe 1 – und damit verbunden: eine schnelle, sofortige Impfung – geboten und zulässig ist. Aber auch hierüber werden vermutlich erst wieder die Gerichte entscheiden müssen.

 

von Rechtsanwältin Dr. Yvonne Schuld, LL.M.