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Corona-Impfung (auch) für Kinder? – Zu den Möglichkeiten einer „Off-Label“-Impfung

Seit einigen Wochen steigt die Zahl der Corona-Neuinfektionen wieder deutlich an. Besonders hohe Fallzahlen werden bei Kindern zwischen 0-14 Jahren beobachtet. In dieser Altersgruppe hat sich der bundesweite Inzidenzwert laut RKI mehr als verdoppelt. Die Ursache hierfür sehen Experten vor allem in der Verbreitung der ansteckenderen britischen Virus-Variante: Immer mehr Kinder würden sich mit dieser infizieren und dadurch auch viele Folgeinfektionen verursachen.

 

Impfen, impfen, impfen – auch bei Kindern?

Da es in Schulen und Kitas bislang kaum flächendeckende Corona-Tests gibt, wird der Ruf nach einer Corona-Impfung für Kinder immer lauter. Unabhängig von der Tatsache, dass Corona-Impfstoffe derzeit Mangelware sind, gibt es bei der Impfung von Minderjährigen aber noch ganz andere Probleme:

  • Bislang sind in der EU nur Corona-Impfstoffe für Personen ab 18 Jahren zugelassen. Einzige Ausnahme bildet der Impfstoff von BionTech/Pfizer, der bereits für Jugendliche ab 16 Jahren freigegeben ist.
  • Mediziner und Wissenschaftler streiten derzeit heftig über die medizinischen Vor- und Nachteile einer Corona-Impfung für Kinder. Einige halten die Impfung von gesunden Kindern nicht für erforderlich, befürworten aber auf jeden Fall eine Impfung von Kindern mit schweren Vorerkrankungen. Andere Mediziner raten hiervon gerade ab: Aufgrund fehlender Daten sei das Impfrisiko für schwerkranke Kinder zu hoch. Es könnten deutlich stärkere Nebenwirkungen auftreten, und auch Langzeitnebenwirkungen würden wesentlich länger andauern.

Einige Impfstoffhersteller haben mittlerweile zwar damit begonnen, umfangreichere Studien mit Kindern und Jugendlichen durchzuführen. Trotzdem ist nicht abzusehen, ob bzw. wann es überhaupt einen Impfstoff für Kinder geben wird. Die Zulassungsverfahren sind aufwendig und kostenintensiv. Und auch eine sich daran anschließende mögliche STIKO-Empfehlung würde zusätzlich Zeit benötigen.

 

„Off-Label“-Impfung als Ausweg für schwerkranke Kinder?

Gerade für schwerkranke Kinder unter 16 Jahren, deren Angehörige sowie die behandelnden Ärzte ist ein weiteres Abwarten aber oft keine Option. Zum Schutz des kranken Kindes leben viele Familien bereits seit Monaten in völliger Isolation und vermeiden auch sonst jeden direkten Kontakt mit Dritten (z.B. mit Pflegepersonal, beim Arztbesuch oder sonstigen therapeutischen Anwendungen). Immer drängender stellen sich für die Betroffenen folgende Fragen:

  • Darf der vorhandene Corona-Impfstoff eigentlich auch für Kinder genutzt werden, obwohl er nur für Altersgruppen ab 16 bzw. 18 Jahren arzneimittelrechtlich zugelassen ist (sog. „Off-Label-Use“)?

Unter „Off-Label-Use“ versteht man die Verordnung eines bereits zugelassenen Arzneimittels außerhalb des in der Zulassung beantragten und von den nationalen oder europäischen Zulassungsbehörden genehmigten Gebrauchs, beispielsweise hinsichtlich der Anwendungsgebiete (Indikationen), des Anwendungsalters, der Dosierung oder der Behandlungsdauer.

 

  • Wer haftet, wenn durch eine „Off-Label“-Impfung Schäden entstehen?
  • Übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten für eine „Off-Label“-Impfung?

 

VG Frankfurt zur „Off-Label“-Impfung einer Achtjährigen

Die Rechtsprechung hat sich – soweit ersichtlich – bislang in nur einem Fall zur Corona-Impfung einer Minderjährigen geäußert. In einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt ging es um ein 8-jähriges, schwerbehindertes Mädchen. Das Mädchen leidet seit seiner Geburt an gravierenden Hirnschäden, Epilepsie und schweren, wiederkehrenden Pneumonien mit stationärem Behandlungsbedarf. Im Falle einer Corona-Infektion besteht ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf. Der behandelnde Kinderarzt erklärte sich daher bereit, das Mädchen mit einem der aktuell verwendeten, für Kinder aber nicht zugelassenen Impfstoffe zu impfen.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt hatte nun u.a. zu klären, ob in diesem besonderen Fall ein Impfanspruch des Mädchens besteht. Dabei gingen die Richter auch auf folgende Fragen ein:

  1. Schließt die Corona-Impfverordnung Minderjährige von einer Impfung gegen das Coronavirus aus?

Antwort: Nein, die Corona-Impfverordnung kennt kein Mindest-Impfalter. Auch Kinder können sich daher auf die Vorschriften der Corona-Impfverordnung berufen und einen entsprechenden Impfanspruch geltend machen.

 

  1. Ist ein Impfanspruch ausgeschlossen, wenn nur eine „Off-Label“-Impfung möglich ist?

Antwort: Nein, dem Impfanspruch eines Kindes steht es grundsätzlich nicht entgegen, wenn lediglich eine Impfung mit den vorhandenen Erwachsenen-Impfstoffen möglich ist. Unter bestimmten Voraussetzungen ist der „Off-Label“-Einsatz solcher Arzneimittel zulässig. Insbesondere stehen die STIKO-Empfehlungen der „Off-Label“-Verwendung von Impfstoffen jedenfalls bei Minderjährigen mit Vorerkrankungen und hohem Risiko nicht ausdrücklich entgegen.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt kam schlussendlich zu dem Ergebnis, dass das Mädchen im konkreten Fall einen Impfanspruch geltend machen könne. Dem Kind müsse ein Impftermin innerhalb der Impfkategorie 2 angeboten bzw. eine Impfung über den Kinderarzt oder einen anderen impfbereiten Arzt ermöglicht werden (weitere Details s. VG Frankfurt, Beschl. v. 12.02.2021, Az. 5 L 219/21).

 

Weitere rechtliche Aspekte bei „Off-Label“-Impfungen

Unabhängig von diesem konkreten Einzelfall sollte eine „Off-Label“-Impfung gegen Corona bei Minderjährigen jedoch von allen Beteiligten immer sehr sorgfältig abgewogen werden. Bei der Entscheidung geht es nicht nur um die medizinischen Vor- und Nachteile einer Impfung. Vielmehr müssen auch rechtliche Aspekte hinreichend berücksichtigt werden:

 

  • Haftungsrechtliche Aspekte:

Wie die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt zeigt, ist Ärzten eine zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln oder Impfstoffen nicht per se verboten. Die ärztlichen Fachgesellschaften empfehlen allerdings, solche „Off-Label“-Verordnungen nur auf Basis von gültigen Leitlinien bzw. Empfehlungen oder von anerkannter wissenschaftlicher Literatur durchzuführen. Andernfalls geht der behandelnde Arzt ein haftungsrechtliches Risiko ein, für das ihm die Berufshaftpflichtversicherung unter Umständen keinen Versicherungsschutz gewährt.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin geht derzeit davon aus, dass ein Nutzen der Corona-Impfung bei Kindern zwar wahrscheinlich, aber noch nicht belegt ist. Sie rät deshalb ausdrücklich von einer Off-Label-Verwendung ab (s. DGKJ-Stellungnahme v. 17.03.2021; vgl. ebenso Stellungnahme der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie v. 12.03.2021).

 

Außerdem bestehen beim „Off-Label-Use“ erhöhte Aufklärungspflichten: Der Patient bzw. seine Erziehungsberechtigten müssen im Vorfeld umfassend über Nutzen und Risiken der Impfung beraten werden. Der Arzt hat deutlich darauf hinzuweisen, dass der Impfstoff im „Off-Label-Use“ (also außerhalb der eigentlich zugelassenen Indikation) angewendet wird. Hierzu zählt auch die Information, dass der Impfstoffhersteller für etwaige durch das Medikament verursachte Schäden bei der „Off-Label“-Verwendung meistens nicht haftet.

Die ärztliche Behandlung und die ärztliche Aufklärung müssen in der Patientenakte selbstverständlich umfassend dokumentiert werden.

 

  • Krankenversicherungsrechtliche Aspekte

Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine „Off-Label“-Behandlung nur in Ausnahmefällen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen dafür drei Voraussetzungen erfüllt sein:

    1. Es muss sich um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung handeln.
    2. Es darf keine andere Therapie, die zugelassen ist, verfügbar sein.
    3. Aufgrund der Datenlage muss die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden kann.

Die Rechtsprechung hat die Kriterien für eine Kostenübernahme in einer ganzen Reihe von Entscheidungen noch genauer ausdifferenziert. Um mögliche Streitigkeiten und Arzneikostenregresse bei einer „Off-Label“-Impfung gegen Corona zu vermeiden, empfiehlt es sich daher, eine Vorabanfrage bei der gesetzlichen Krankenkasse zu stellen.

 

  • Ansprüche im Falle eines Impfschadens

Eine allgemeine Übersicht über mögliche Ansprüche im Falle von Impfschäden finden Sie hier.

Bei Schäden im Rahmen einer „Off-Label“-Impfung von Minderjährigen sind allerdings folgende Besonderheiten zu beachten: Bislang gibt es für Kinder weder eine gesetzliche Corona-Impfpflicht, noch liegen entsprechende öffentliche Impfempfehlungen der Landesbehörden bzw. der STIKO vor. Im Falle eines Impfschadens kann ein Minderjähriger derzeit also keine Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz geltend machen. Auch eine Haftung des Impfstoffherstellers wird regelmäßig ausscheiden. Es verbleibt somit allenfalls ein Anspruch gegen den behandelnden Arzt, falls diesem Behandlungs- und/oder Aufklärungsfehler unterlaufen sein sollten.

Die Rechtsposition des minderjährigen Patienten ist in den Fällen der „Off-Label“-Impfung also deutlich schlechter.

 

Fazit

Nach aktuellem Stand kommt eine „Off-Label“-Impfung gegen Corona allenfalls bei Minderjährigen mit schweren Vorerkrankungen in Betracht. Selbst bei einer sorgfältigen Abwägung lassen sich die medizinischen und rechtlichen Risiken einer solchen Impfung im Vorfeld aber nur begrenzt abklären. Vor diesem Hintergrund bleibt auch abzuwarten, wie viele (Kinder-)Ärzte das Risiko einer solchen Impfung aktuell überhaupt auf sich nehmen wollen.

 

von Rechtsanwältin Dr. Yvonne Schuld. LL.M.

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