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Corona, Masern & Co.: Wer haftet bei Impfschäden?

Vor einem Jahr beschloss der Bundestag nach langen Debatten eine Pflicht zur Masernimpfung für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Bei der nun unmittelbar bevorstehenden Impfkampagne gegen das Coronavirus ist eine solche Impfpflicht zwar nicht geplant. Trotzdem wird die Impfung gegen Covid-19 in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Teilweise bestehen große Bedenken wegen möglicher Nebenwirkungen der neuartigen mRNA-Impfstoffe. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder die Frage auf, wer überhaupt für die Fehler bzw. Schäden im Rahmen der Impfungen haftet. Diesem Thema wollen wir im Folgenden nachgehen.

Welcher Impfschaden liegt vor?

Es kommt immer wieder vor, dass Mandanten unsere Kanzlei aufsuchen, weil sie im Rahmen einer Impfung negative gesundheitliche Folgen erlitten haben. In einem solchen Fall klären wir zunächst, ob ein Impfschaden nach dem Infektionsschutzgesetz und/oder ein Impfschaden wegen Behandlungs-/Aufklärungsfehlern vorliegt. Diese Unterscheidung ist für die weitere rechtliche Einordnung von Bedeutung.

Impfschaden nach dem Infektionsschutzgesetz…

Nach dem deutschen Infektionsschutzgesetz liegt ein Impfschaden immer dann vor, wenn durch die Impfung eine Gesundheitsbeeinträchtigung eintritt, die über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgeht (vgl. § 2 Nr. 11 IfSG). Bloße Impfreaktionen (Schwellung der Impfstelle, Müdigkeit etc.) oder Impfkomplikationen reichen dafür allein noch nicht aus. Es bedarf stets einer Überreaktion auf den Impfstoff mit gesundheitlichen Folgeschäden.

Beispiel:

Verspürt ein Patient nach der Influenza-Impfung einen leicht angeschwollenen Arm oder fühlt sich matt und abgeschlagen, handelt es sich lediglich um übliche (und hinzunehmende) Impfreaktionen. Treten dann jedoch hohes Fieber und starke neurologische Ausfallerscheinungen auf (Impfkomplikationen), und entwickelt der Patient daraufhin z.B. das Guillain-Barré-Syndrom, liegt der Verdacht eines Impfschadens nahe.

…oder Impfschaden wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern?

Immer wieder vertreten wir aber auch Mandanten, die nicht (nur) auf den Impfstoff überreagieren, sondern aufgrund von Behandlungs- und Aufklärungsfehlern Gesundheitsschäden erleiden. Folgende allgemeine Grundsätze sind bei Impfungen immer zu berücksichtigen:

  • Der Arzt muss den Patienten vorab stets ausreichend über alle möglichen Risiken und Nebenwirkungen der Impfung aufklären. Die Impfaufklärung muss im Rahmen eines persönlichen Gesprächs erfolgen. Dabei muss der Arzt auch Allergien, Vorerkrankungen und weitere medizinische Parameter abfragen und sich von der Impf- und Einwilligungsfähigkeit des Patienten überzeugen. Merkblätter, Formulare, Filme oder Informationen durch Arzthelferinnen etc. können das individuelle Gespräch zwar vorbereiten, es aber keinesfalls ersetzen.

Typische Aufklärungsfehler:

– falsche oder unzureichende Aufklärung über eventuelle Nebenwirkungen

– Impfung ohne wirksame Einwilligung (problematisch ggf. bei Kindern / Jugendlichen oder dementen Personen)

 

  • Darüber hinaus ist der Arzt verpflichtet, die Impfung nach den aktuellen fachlichen Standards durchzuführen. Andernfalls begeht er einen Behandlungsfehler.

Typische Behandlungsfehler:

– Impfung trotz Kontraindikation bzw. fehlender Impftauglichkeit

– falsche Impftechnik

– Verstoß gegen Hygienevorschriften

– Fehler bei der Dosierung

– Fehler bei der Nachüberwachung

Ansprüche des Patienten

Patienten, die auf einen Impfstoff überreagieren oder durch Behandlungs-/Aufklärungsfehler geschädigt werden, leiden oft nicht nur unter erheblichen gesundheitlichen Folgen. Ihnen entstehen regelmäßig auch große finanzielle Nachteile (Verdienstausfall, Heilbehandlungskosten, Haushaltsführungsschaden etc.). Von entscheidender Bedeutung ist daher, welche Ansprüche der betroffene Patient geltend machen kann.

  • Ansprüche auf staatliche Entschädigungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz

Wer durch eine öffentlich empfohlene oder gesetzlich vorgeschriebene Schutzimpfung einen Impfschaden erlitten hat, erhält auf Antrag staatliche Entschädigungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (s. § 60 IfSG). Unserer Erfahrung nach sind die Verfahren auf Anerkennung eines Impfschadens allerdings oft sehr langwierig und aufwendig. Der Nachweis eines Impfschadens kann regelmäßig nur mit Hilfe von umfangreichen Sachverständigengutachten geführt werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz lediglich um soziale Entschädigungsleistungen handelt, die den schädigungsbedingten Bedarf oft bei Weitem nicht abdecken und dem Betroffenen bei anderen Leistungen teilweise angerechnet werden.

  • Ansprüche nach dem Arzneimittel-/Produkthaftungsgesetz

Vor diesem Hintergrund ist immer zu prüfen, ob nicht auch der Impfstoffhersteller in Regress genommen werden kann. Die Haftung des Pharmaunternehmens richtet sich nach den Vorschriften des Arzneimittel- und Produkthaftungsgesetzes. Danach besteht eine Schadensersatzpflicht, wenn durch den Impfstoff ein Mensch getötet oder verletzt wird und der Impfstoff schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen (§ 84 AMG). Vereinbarungen, die diese Ersatzpflicht ausschließen oder beschränken, sind übrigens gemäß § 92 AMG nichtig. Soweit Pharmaunternehmen – wie in der Presse verschiedentlich berichtet – umfangreiche Haftungsfreistellungen für den neuartigen Corona-Impfstoff ausgehandelt haben sollten, berührt dies also nicht mögliche Ansprüche des Patienten nach dem Arzneimittelgesetz.

  • Ansprüche bei Behandlungs- und Aufklärungsfehlern

Verstößt ein Arzt bei der Impfung gegen fachliche Standards, haftet er dem Patienten nach §§ 280, 630a ff. BGB für den daraus entstehenden Schaden. Gleiches gilt bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 630e BGB. Soweit keine wirksame Einwilligung gemäß § 630d BGB vorliegt, ist die Impfung sogar rechtswidrig und stellt eine gefährliche Körperverletzung dar. In diesem Fall haftet der Arzt auch aus § 823 BGB; außerdem drohen ihm straf- und standesrechtliche Konsequenzen. Je nach Fallkonstellation können auch Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB) in Betracht kommen (z.B. bei der Impfung durch Amtsärzte oder in staatlichen Impfzentren).

  • Sonderfall: Arbeitgeber ordnet Impfung an

In bestimmten Sonderfällen kann auch der Arbeitgeber für seine Mitarbeiter eine Impfung verpflichtend anordnen (relevant z.B. bei Krankenhauspersonal). Erleidet der Arbeitnehmer im Rahmen einer solchen Impfung einen Schaden, haftet hierfür auch der Arbeitgeber. Zu prüfen ist in diesen Fällen außerdem das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung.

Verfahrensablauf

Für die Geltendmachung von Impfschäden und die Durchsetzung von entsprechenden Schadensersatzansprüchen braucht es besonderes juristisches Fachwissen – und einen langen Atem. Sowohl im behördlichen Anerkennungsverfahren als auch in etwaigen Zivilprozessen finden umfangreiche Ermittlungen und Begutachtungen statt. Wir haben dabei die Erfahrung gemacht, dass die Anerkennungsquoten zwischen den einzelnen Bundesländern stark variieren. Auch die Begutachtungskriterien sind leider nicht einheitlich. Dies macht es für den gesundheitlich oft schwer angeschlagenen Mandanten im konkreten Fall noch schwieriger, die ohnehin komplexe Rechtslage zu durchschauen.

Sobald also der Verdacht eines Impfschadens bestehen sollte, empfehlen wir dringend die Beratung durch einen auf diesem Gebiet spezialisierten Rechtsanwalt. In unserer Kanzlei steht Ihnen hierfür gerne Frau Dr. Yvonne Schuld als Ansprechpartnerin zur Verfügung.

von Rechtsanwältin Dr. Yvonne Schuld, LL.M.